Hitzewellen im Meer
Die Ozeane, Gletscher und Permafrostböden verändern sich mit dem Klimawandel markant.

Nachhaltigkeit

Noch nie dagewesenes Klima

Der Meeresspiegel steigt stärker als bisher angenommen, Hitzewellen im Meer werden häufiger und der Grossteil der Gletschermasse in Europa verschwindet. Dies zeigt der Sonderbericht des Weltklimarats IPCC vom September 2019, an dem Thomas Frölicher und Carolina Adler von der Universität Bern als Leitautoren beteiligt waren.

 

Der Meeresspiegel wird bis 2100 um 43 bis 84 Zentimeter steigen und Gebiete unter Wasser setzen, in denen heute Hunderte von Millionen Menschen leben. Gletscher weltweit verlieren zwischen 2015 und 2100 18 bis 36 Prozent ihrer Masse, jene in Europa gar über 80 Prozent. Bei weiterhin hohen Treibhausgas-Emissionen könnten bis 2100 49 bis 89 Prozent der wenig tiefen Permafrostböden auftauen und damit an Stabilität einbüssen. Dies ist der aktuelle Stand der Wissenschaft, den führende Klimaforscherinnen und -forscher für den IPCC-Bericht aufbereitet haben.

Kurz gesagt

«Das offene Meer, die Arktis oder die Antarktis scheinen vielen weit weg zu sein. Aber die Bevölkerung weltweit, auch wir Menschen in der Schweiz, hängt von diesen Systemen ab.»


Prof. Dr. Thomas Frölicher, Oeschger-Zentrum für Klimaforschung (OCCR)

In Bezug auf die Ozeane spricht der Weltklimarat von einem neuen, seit präindustriellen Zeiten noch nie dagewesenem Klima. Marine Hitzewellen werden bei weiterhin hohen Treibhausgas-Emissionen bis im Jahr 2100 50-mal häufiger. Die Ozeane werden saurer, enthalten immer weniger Sauerstoff und die Primärproduktion nimmt ab. «Wir sehen bereits jetzt markante Veränderungen in den Ozeanen, von der Oberfläche bis in grosse Tiefen, von den Polen bis in die Tropen. Dieser Wandel wird die Verteilung und die Fülle des Lebens überall in unseren Meeren beeinflussen», sagt Thomas Frölicher, IPCC-Autor von der Universität Bern. So ist sich die Wissenschaft sehr sicher, dass Hitzewellen im Meer negative Auswirkungen auf Meeresorganismen wie Korallen, Seegras und Seetang sowie ganze Ökosysteme haben.

«Das offene Meer, die Arktis oder die Antarktis scheinen vielen weit weg zu sein», so Frölicher: «Aber die Bevölkerung weltweit, auch wir Menschen in der Schweiz, hängt von diesen Systemen ab – für Wetter und Klima, für Nahrung und Wasser, für Energie, Handel, Transport, Erholung und Tourismus, Gesundheit und Wohlergehen, Kultur und Identität.»

 

Kurz gesagt

«Durch eine starke Reduktion der Treibhausgas-Emissionen können wir wesentliche Teile der ikonischen Hochgebirgslandschaften erhalten.»


Dr. Carolina Adler, Mountain Research Initiative, Universität Bern

Permafrostböden werden instabil

Die Hänge in den Alpen und anderswo werden durch die immer wärmeren Permafrostböden instabil und setzen in den Polarregionen Kohlenstoff-Reservoire frei, die dort seit Tausenden von Jahren ruhten. Dadurch gelangen bis Ende 2100 Dutzende oder gar Hunderte von Gigatonnen als Kohlendioxid oder Methan in die Atmosphäre und heizen das Klima weiter auf. «Durch eine starke Reduktion der Treibhausgas-Emissionen können wir wesentliche Teile der ikonischen Hochgebirgslandschaften erhalten», sagt Autorin Carolina Adler vom Centre for Development and Environment (CDE) der Universität Bern und Executive Director der Mountain Research Initiative, die an der Universität Bern angesiedelt ist.

Treibhausgas-Emissionen «dringend und ambitioniert» senken

Die Autorinnen und Autoren des IPCC-Berichtes formulieren viele politische, gesellschaftliche und technische Handlungsmöglichkeiten und verweisen deutlich auf die Dringlichkeit: Für eine nachhaltige Entwicklung müssten die Treibhausgas-Emissionen «dringend und ambitioniert» gesenkt und die Folgen des Klimawandels auf die lebenserhaltenden Ozeane und die Kryosphäre gemindert werden, etwa durch den Ausbau des Küstenschutzes durch Bauten oder Bepflanzungen.

Bern und der IPCC

Die Berner Klimaforschung verfügt über eine lange Tradition in der Erarbeitung von Berichten des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). Die Universität Bern ist weltweit wohl die einzige Institution, die an allen bisher erschienenen fünf Sachstandberichten des Weltklimarats in leitender Funktion beteiligt war. Bereits beim ersten Assessment Report des IPCC 1990 spielten die Berner Klima- und Umweltforscher Hans Oeschger und Uli Siegenthaler eine wichtige Rolle. Beim 5. Report, der 2013 und 2014 vorgelegt wurde, war der Berner Thomas Stocker Ko-Vorsitzender der IPCC-Arbeitsgruppe, die sich mit den wissenschaftlichen und technischen Aspekten der Klimaerwärmung befasst. Das Sekretariat der Working Group I (The Physical Science Basis), die Stocker leitete, war der Universität Bern angegliedert. Im Bild Thomas Stocker, Professor für Klimaphysik an der Universität Bern, und Qin Dahe leiteten im September 2013 die Plenarversammlung des Weltklimarats IPCC der Vereinten Nationen.

Übersicht