Ein extremer Gasriese
Prof. Dr. Kevin Heng

«Letztendlich wollen wir mit unserer Forschung die Entstehung und Entwicklung des Sonnensystems sowie den Ursprung des Lebens ergründen.»

Materie und Universum

Seltene Erden in der Atmosphäre eines Exoplaneten entdeckt

KELT-9b ist der heisseste Exoplanet, der bisher bekannt ist. Im Sommer 2018 hat ein Team von Forschenden der Universitäten Bern und Genf Signaturen von gasförmigem Eisen und Titan in dessen Atmosphäre gefunden. Im Frühling 2019 konnten dieselben Forschenden auch Spuren von verdampftem Natrium, Magnesium, Chrom und erstmals der Seltenen Erden Scandium und Yttrium nachweisen.

 

KELT-9 ist ein Stern im Sternbild Cygnus (Schwan) und ist fast doppelt so heiss wie die Sonne. Sein Exoplanet KELT-9b umkreist ihn sehr eng und ist deshalb ein sogenannten «heissen Jupiter» und zwar der bislang extremste seiner Art. Seine Atmosphäre erreicht eine Temperatur von etwa 4'000 °C. Bei dieser Hitze werden alle Elemente fast vollständig verdampft, und Moleküle werden in ihre Atome zerlegt. Das bedeutet, dass die Atmosphäre von KELT-9b keine Wolken oder Aerosole enthält, der Himmel klar und meist durchlässig für das Licht seines Sterns ist.

Die Atome in der Atmosphäre des Exoplaneten absorbieren jeweils einen Teil des Lichts des Sterns. Jedes Atom hat so einen einzigartigen «Fingerabdruck» der Farben, die es absorbiert. Diese Fingerabdrücke können mit einem empfindlichen Spektrografen gemessen werden, der auf einem grossen Teleskop montiert ist. Daraus können Astronominnen und Astromnomen die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre von Exoplaneten ableiten, auch wenn sie viele Lichtjahre entfernt sind.

Bereits im August 2018 machte ein Team von Forschenden des Nationalen Forschungsschwerpunkts PlanetS der Universitäten Bern und Genf mit dieser Technik eine interessante Entdeckung: «Wir benutzten den HARPS-North Spektrografen auf dem italienischen Telescopio Nazionale Galileo auf der Insel La Palma. Damals fanden wir Eisen- und Titanatome in der heissen Atmosphäre von KELT-9b», erklärt Kevin Heng, Direktor und Professor am Center for Space and Habitabilty (CSH) an der Universität Bern und Mitglied des Nationalen Forschungsschwerpunkts PlanetS.

Wussten Sie, dass?

«Exoplaneten sind Planeten, die ausserhalb unseres Sonnensystems um andere Sterne kreisen. Seit der ersten Entdeckung Mitte der 90er-Jahre wurden weit über 3‘000 Exoplaneten aufgespürt.»

Fundgrube Exoplanet

Das Team beobachtete das KELT-9-System ein zweites Mal, mit dem Ziel, die bisherigen Erkenntnisse zu bestätigen, aber auch um nach zusätzlichen Elementen zu suchen. Die Forschenden untersuchten die Daten nach 73 Atomen, darunter auch sogenannte «Seltene Erden». Diese Metalle kommen auf der Erde nur selten vor und werden in modernen Materialien und Geräten eingesetzt. Jens Hoeijmakers, Postdoc am NFS PlanetS in Bern sowie in Genf in der Astronomischen Abteilung des Observatoriums, sagt: «Wir gingen davon aus, dass das Spektrum dieses Planeten eine Fundgrube sein könnte. Wir hofften, Elemente zu finden, die bisher noch nie in der Atmosphäre eines Exoplaneten beobachtet worden waren.»

Tatsächlich fanden die Forschenden starke Signale von verdampftem Natrium, Magnesium, Chrom und der «Seltenen Erden» Scandium und Yttrium im Spektrum des Planeten – wobei die letzten drei noch nie zuvor in der Atmosphäre eines Exoplaneten nachgewiesen worden sind. «Wir können aufgrund unserer Analysen nun auch abschätzen, in welcher Höhe in der Atmosphäre des Planeten die Atome das Licht absorbieren», sagt Jens Hoeijmakers. Zudem wisse man nun mehr über die Winde hoch in der Atmosphäre, die Atome von einer Hemisphäre zur anderen blasen.

«Wir möchten mit dieser Technik noch viel mehr über die Atmosphäre dieses Exoplaneten aber auch anderer Planeten erfahren, die ähnlich hohe Temperaturen aufweisen wie KELT-9b», so Jens Hoeijmakers. Kevin Heng ergänzt: «Die Chancen stehen gut, dass wir mit derselben Technik dereinst sogenannte Biosignaturen, also Anzeichen für Leben, auf einem Exoplaneten finden werden. Letztendlich wollen wir mit unserer Forschung die Entstehung und Entwicklung des Sonnensystems sowie den Ursprung des Lebens ergründen.»

Wie erforscht man Exoplaneten?

Kevin Heng, Direktor und Professor am Center for Space and Habitabilty (CSH) an der Universität Bern, und Jens Hoeijmakers, Postdoc am NFS PlanetS in Bern sowie in Genf in der Astronomischen Abteilung des Observatoriums, erzählen von der Forschung zu Exoplaneten. © Universität Bern
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Center for Space and Habitability CSH

Die Mission des Center for Space and Habitability CSH ist es, den Dialog und die Interaktion zwischen den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen zu fördern, die an der Entstehung, Entdeckung und Charakterisierung anderer Welten, der Definition des Lebens und der Suche nach ihm an anderer Stelle im Universum und seinen Auswirkungen auf Disziplinen ausserhalb der Wissenschaften interessiert sind. Zu den Mitgliedern und Partnern gehören Forschende aus den Gebieten der Astronomie, Astrophysik, Atmosphären-, Klima- und Planetenforschung, Geologie, Geophysik, Biologie, Chemie und Philosophie. Das CSH beherbergt auch CSH- und Bernoulli-Stipendiatinnen und -Stipendiaten. So werden junge, dynamische und talentierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an die Universität Bern gebracht, die hier selbständig forschen.

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Berner Weltraumforschung: Seit der ersten Mondlandung an der Weltspitze

Als am 21. Juli 1969 Buzz Aldrin als zweiter Mann aus der Mondlandefähre stieg, entrollte er als erstes das Berner Sonnenwindsegel und steckte es noch vor der amerikanischen Flagge in den Boden des Mondes. Dieses Solarwind Composition Experiment (SWC), welches von Prof. Dr. Johannes Geiss und seinem Team am Physikalischen Institut der Universität Bern geplant und ausgewertet wurde, war ein erster grosser Höhepunkt in der Geschichte der Berner Weltraumforschung.

Die Berner Weltraumforschung ist seit damals an der Weltspitze mit dabei. In Zahlen ergibt dies eine stattliche Bilanz: 25mal flogen Instrumente mit Raketen in die obere Atmosphäre und Ionosphäre (1967-1993), 9mal auf Ballonflügen in die Stratosphäre (1991-2008), über 30 Instrumente flogen auf Raumsonden mit, und mit CHEOPS teilt die Universität Bern die Verantwortung mit der ESA für eine ganze Mission.


Die erfolgreiche Arbeit der Abteilung Weltraumforschung und Planetologie (WP) des Physikalischen Instituts der Universität Bern wurde durch die Gründung eines universitären Kompetenzzentrums, dem Center for Space and Habitability (CSH), gestärkt. Der Schweizer Nationalsfonds sprach der Universität Bern zudem den Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) PlanetS zu, den sie gemeinsam mit der Universität Genf leitet.

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